Handlungsziele
Reibung verringern
Da die Masse beim Gleiten der Ski auf Schnee die Reibung nicht unbedingt erhöht, sondern die Bildung des Wasserfilms sogar beschleunigt, geht eine Verringerung der Reibung nur über eine Minimierung der Gleitreibungszahl.
Es ist einfach nachzuvollziehen, dass beim Gleiten die Aufgabe im Wesentlichen darin besteht, die Ski plan auf den Schnee zu legen und möglichst gleichmäßig zu belasten, um den Gleitreibungskoeffizienten so gering wie möglich zu halten. Hierzu gibt es zahlreiche Messungen der DSHS Köln und später der TU München, welche die optimale Verteilung der Belastung sowohl entlang der Ski Quer-, als auch der Längsachse darstellen. Darin ist die Belastungsverteilung rechts/links, das Belastungszentrum in der Längs- und Querachse (Punkt) und dessen mittlere Abweichung um diese Achsen (Ellipsen) im Verlauf der gesamten Messtrecke abgebildet.
In der Kurve sollte der Druck, ebenso wie beim Gleiten, auf beide Ski so gleichmäßig wie möglich verteilt werden, um die Reibung zu verringern. Wichtiger aber, um den Geschwindigkeitsverlust in der Kurve zu verringern, ist es möglichst ohne Rutschanteile auszukommen, d. h. den Schwung auf der Kante zu fahren.
Mit modernen Carving-Ski gibt es nur zwei Möglichkeiten Radien geschnitten zu fahren, die kleiner sind, als durch ihre Taillierung vorgegeben:
1. Durch die Erhöhung des Kantwinkels: Je stärker der Ski aufgekantet wird, desto kürzer wird der Kurvenradius, den er beschreibt (vgl. Abb. 10 TM).
2. Durch die Verstärkung der Skibiegung: Je stärker der Ski durchgebogen wird, desto kürzer wird der Kurvenradius, den er beschreibt (vgl. Abb. 11 TM).
Die wirkungsvollste Methode den Radius, den ein Ski mit einer bestimmten Taillierung beschreiben kann, zu beeinflussen, ist es seinen Aufkantwinkel zu verändern (vgl. Abb. 10 TM). Messungen im GS haben gezeigt, dass der Kantwinkel im Schwung zwischen 60° und 85° beträgt. Das bestätigt auch die Betrachtung von "Action-Szenen" unterschiedlicher Athleten, unterschiedlichen Alters und in unterschiedlichen Disziplinen. Aus Abb. 10 TM geht deutlich hervor, dass die Taillierung eines Skis bei diesen Aufkantwinkeln nicht von entscheidender Bedeutung ist. Die Unterschiede werden mit zunehmendem Aufkantwinkel der Ski immer geringer. Für die Trainingspraxis bedeutet diese Erkenntnis, dass ein wesentlicher Teil der Technikschulung der situativ angepassten Optimierung (Maximierung) des Kantwinkels gewidmet werden sollte.
Um den Schwung optimal geschnitten zu fahren, ist das Timing der Belastungsverlagerung von der Schaufel auf die Skienden entscheidend. Das Ausmaß und die Dynamik sind dabei stark von dem zu beschreibenden Radius und dem Gelände abhängig und entsprechend situativ angepasst zu variieren. Genau diese Fähigkeit der Belastungsregulierung wurde unter anderem durch Untersuchungen der Gruppe um Prof. Müller an der Universität Salzburg in ihrer Bedeutung für die Qualität des Carving Schwungs bestätigt und am ICSS in Aspen 2004 vorgestellt.
Eine aktuelle Untersuchung zur Bedeutung der "Vor-Rück-Dynamik" im Schwungverlauf wurde von einer Gruppe um Robert Reid (Oslo) in Zusammenarbeit mit dem Norwegischen Skiverband durchgeführt und beim ICSS 2007 in St. Christoph am Arlberg präsentiert.
Die Gruppe konnte am Beispiel von Fahrten im Slalom eindeutig belegen, dass Sportler mit einer angepassten Verlagerung des Kraftangriffspunktes, wie in Abb. 11 TM beschrieben, schneller fahren als diejenigen, denen dies nicht gelingt (vgl. Abb. 12 TM)
Die Blaue Kurve ("Slow skier") zeigt einen Läufer, der mit dem Schwungwechsel die Bewegung nach vorn einleitet, bei ca. 40% sein Maximum erreicht und diese Position erst kurz vor dem erneuten Schwungwechsel bei ca. 80% zur Mitte hin auflöst.
Die rote Line ("Fast skier") zeigt einen Sportler der in der ersten Phase des Schwungs (bis ca. 45%) den Kraftangriffspunkt nach vorn verschiebt und ab der Mitte des Schwungs eine Bewegung nach hinten bis deutich hinter die Nullinie einleitet.
Für den Skiläufer bedeutet dies, dass er zur Einleitung des Schwunges den Ski im vorderen Teil stärker belasten und damit durchbiegen muss, wenn er schnell aus der „Schrägfahrt“ in die Falllinie einfahren will. Er sollte sich also aktiv in den neuen Schwung hineinbewegen. Gleichzeitig muss er versuchen, nach dem Umkanten einen möglichst optimalen Kantwinkel zu erzeugen. Der Kantwinkel und die Skibiegung bestimmen den Radius, den der Ski beschreiben kann. Die Fähigkeit des Rennläufers, den Kantwinkel zu maximieren ist für eine radikale Einleitung des Schwunges von entscheidender Bedeutung. Je drehender der Kurs, desto wichtiger ist diese Aktion, um ohne zu driften und damit zu bremsen in die Falllinie zu gelangen.
Eine zweite Möglichkeit dies zu erreichen besteht darin, die Ski quasi unbelastet in die Falllinie einzudrehen bzw. vorauszudrehen. Aktuelle Weltklasse-Rennläufer wenden diese Technik in bestimmten Situationen häufig an. Genauere Erläuterungen dazu finden Sie im Kapitel Gewichtung der Faktoren steiles Gelände.
Um im letzten Drittel des Schwunges die Falllinie schnell wieder verlassen zu können und die Richtung zum nächsten Tor zu erhalten, ist es analog dazu notwendig, durch eine angepasste Verlagerung des Körperschwerpunks die Biegung im hinteren Teil der Ski zu verstärken. Hierzu muss der Skiläufer die Unterschenkel im Sprunggelenk möglichst senkrecht stellen, um den Kraftangriffspunkt hinter die Schuhmitte zu verlagern.
Achtung: Kein Absitzen nach hinten - drohende Rücklage!
Diese Möglichkeiten werden als "dynamisches Potential der Ski" bezeichnet!
Der theoriegeleitete Ansatz lässt sich an Beispielen aktueller Weltklasseläufer (vgl. Abb. 11 TM und Abb. 12 TM) belegen.
Luftwiderstand verringern
Die Sache liegt auf der Hand, denn sowohl beim Gleiten, als auch in der Kurvenfahrt sollte darauf geachtet werden dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. Ist beim Gleiten die optimale Abfahrtshocke eher selbstverständlich, wird in den Kurvenfahrten der Faktor Luftwiderstand oft noch unterschätzt. Selbst im Riesenslalom bei Geschwindigkeiten von bis zu 80 km/h kann der Anteil des Luftwiderstandes über Sieg oder Niederlage entscheiden. Entsprechende Vergleichsfahrten belegen dies eindeutig.
Der Oberkörper sollte stets so flach wie möglich gehalten werden und die Arme im Optimalfall nach vorn gerichtet sein. Aktuelle Weltklasse-Athleten bei Damen und den Herren demonstrieren dies eindrücklich. Voraussetzung dafür ist ein entsprechend gut ausgeprägtes muskuläres Korsett im Rumpfbereich.
Der Einfluss der Körperposition auf den Luftwiderstand lässt sich im Windkanal optimal messen. Anhand der erfassten Werte lassen sich Geschwindigkeits- und damit Zeitgewinne berechnen.
Hangabtriebskraft optimal nutzen
"Masse schadet nichts" und v. a. der Neigungswinkel ist zu maximieren, d. h. der Winkel zwischen Fallinie und Skirichtung sollte möglichst lange möglichst klein sein.
Was das Gleiten anbelangt ist die Lösung einfach: Möglichst lange in der Falllinie bergab fahren!
Das Gleiche gilt im Wesentlichen auch für die Kurvenfahrt, nur sind hier die Voraussetzungen etwas anders. Betrachtet man zwei Punkte auf einer schiefen Ebene, die sowohl horizontal wie vertikal voneinander entfernt liegen und sucht man die schnellste Verbindung zwischen diesen beiden, so ist das nicht die kürzest denkbare, sondern eine nach unten (in Richtung der Hangabtriebskraft) gekrümmte Linie.
In der Mathematik ist dieses Phänomen als sogenanntes "Brachystochronen-Problem" bekannt.
Hintergrund ist, dass auf dieser gebogenen Bahn die Hangabtriebskraft länger beschleunigend wirken kann und dadurch eine höhere Geschwindigkeit erzielt wird, als bei der Schrägfahrt. Diese höhere Geschwindigkeit gleicht den zusätzlichen Weg mehr als aus (vgl. Abb. 17 TM).
Zur optimalen Nutzung der Hangabtriebskraft folgt demnach für die Linienwahl des alpinen Skiläufers, dass er
- die Ski möglichst schnell aus der "Schrägfahrt" am Ende des Schwungs in die Fallinie bringt
- möglichst lange nahe der Fallinie die Hangabtriebskraft ausnützt
- im letzten Drittel den Schwung "zumachen" muss, um die nötige Richtung zu haben
Um die am Schwungbeginn und Schwungende nötigen engen Kurvenradien fahren zu können, ist es entscheidend durch zielgerichtete Verlagerung der Körperposition in den verschiedenen Ebenen das dynamische Potential der Ski voll zu nutzen (vgl. Abb. 11 TM) und einen möglichst optimalen (maximalen) Kantwinkel zu erzeugen (vgl. Abb. 10 TM).
Drehimpulserhaltung nutzen
Aktive Beschleunigung - Drehimpulserhaltung nutzen
Dieses im Skirennsport oft heiß diskutierte Thema ist prinzipiell relativ einfach umzusetzen und den meisten Sportlern als Bewegungsmuster durchaus vertraut. Allerdings geschieht das oft in einem anderen "sportlichen" Zusammenhang.
Biomechanisch lässt sich ein geschnittener Schwung mit einem Carving-Ski analog zum Schwingen in einer Schiffschaukel betrachten. Die Bewegung auf einer Kreisbahn, beim Skifahren zumindest annähernd, erzeugt Kurvenkräfte, die im Falle der Schiffschaukel durch die Verbindung zur Drehachse aufgenommen werden und im Falle des Skifahrers durch das Widerlager der Kante im Schnee. Um die Schiffschaukel zu beschleunigen, wird der Körperschwerpunkt zu dem Zeitpunkt, an dem die Summe der Kurvenkräfte maximal ist, zum Kurvenmittelpunkt hin bewegt. Bei der Schiffschaukel ist dies der tiefste Punkt und im System des Skifahrers befindet sich dieser im Bereich kurz nach der Fallinie, also auf jeden Fall nach dem Tor.
Wo dieser Punkt in jedem Schwung exakt liegt, sollte der Athlet erfühlen, da dies von Radius, Hangneigung und eben Linienwahl abhängig ist. An diesem Punkt muss der Athlet den wirkenden Kurvenkräften widerstehen, die Tiefbewegung stoppen und sich, zumindest tendenziell, herausbewegen (vgl. Abb. 20 TM und Abb. 21 TM).
Das ist die einzige Möglichkeit des alpinen Skirennläufers im System der in der Kurve wirkenden Kräfte "aktiv" zu beschleunigen. An dieser Stelle des Schwungs muss das Druckmaximum erzeugt werden. Betrachtet man die Situation beim Schiffschaukeln wird deutlich, wie sich ein falsches Timing des Herausbewegens auswirkt: Die Geschwindigkeit wird abgebremst. Der gleiche Effekt zeigt sich natürlich auch beim Skifahren. Es ist demnach unerlässlich, dass die Athleten zum einen ein Gespür dafür entwickeln, wo und wann im Schwung der Zeitpunkt kommt, an dem sie Kurvenkräften verstärkt entgegenwirken müssen und zum anderen, mit welcher Dynamik dies geschehen muss. Der dynamische Charakter der Bewegung hängt in erster Linie vom Schwungradius und der Geschwindigkeit ab. Wieder verdeutlicht der Vergleich mit der Schiffschaukel den Sachverhalt. Analog zur Kurvenfahrt gilt diese Betrachtung natürlich auch für das Durchfahren einer Kompression bzw. eines Wellentals. Hier macht der Vergleich zur Fahrt in der "Halfpipe" die Bedeutung des "Pushens" im Knick noch deutlicher.
Die Auslösung dieses Effektes führt zu einer enormen Kraftbeanspruchung. Insbesondere bei ständiger Wiederholung über mehrere Tore oder gar einen ganzen Lauf, erfordert dies entsprechend gut ausgeprägte athletische Voraussetzungen der Kraft- und Ausdauerfähigkeiten.