Wettkampf

Unmittelbare Wettkampf Vor- und Nachbereitung

Das Ziel eines jeden Trainers ist es, am Wettkampftag seine Athleten bei der Leistungserbringung im Rennen zu unterstützen. Der Sportler soll seine „PS auf die Straße bringen“. Im Training geht es im Gegensatz dazu darum, das Potential und die PS erst einmal zu entwickeln. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass vor allem diejenigen Sportler ihre Leistung im Wettkampf abrufen können, die sich neben dem langfristigen Training gezielt schon Tage zuvor strukturiert auf den Wettkampf vorbereitet hatten.

Dieses Kapitel beschäftigt sich zum einen damit, wie durch eine optimale Wettkampf-Vorbereitung z. B. durch Entwicklung einer Vorstart-Routine eine gute Ausgangsposition geschaffen werden kann, um Höchstleistung im Wettbewerb abrufen zu können. Auf der anderen Seite ist es mindestens genauso wichtig, aus einem Wettkampf die richtigen Konsequenzen zu ziehen, um zum Beispiel auch nach einem schlechten Rennen motiviert und mit einer positiven Einstellung weiter trainieren zu können.

Weiterhin geht es zudem darum in der Vorbereitung Wettkampfstabilität zu erlangen. Wie in vielen anderen Sportarten ist auch im Skialpinsport das Phänomen des "Trainingsweltmeisters" verbreitet. Um kein Trainingsweltmeister zu sein, ist es das große Ziel eines jeden Sportlers, sein Leistungspotenzial vom Training in den Wettkampf zu übertragen. Sportpsychologische Ansatzpunkte können hierfür sein:

  • Aufbau einer individuellen Wettkampfroutine
  • Training wettkampfnaher Situationen
  • Wettkampf-Nachbereitung
  • Verbesserung der Aktivierungsregulation
  • Bessere Stressbewältigung
  • Stabilisierung der individuellen Kompetenzwahrnehmung

In diesem Kapitel geht es vorrangig um die Wettkampfroutine, das Training wettkampfnaher Situationen und die Wettkampf-Nachbereitung.

 

Aufbau und Etablierung einer Wettkampfroutine

Eine wichtige Maßnahme zur Vorbereitung auf Wettkämpfe ist eine feste Wettkampfroutine. Der Sinn hinter jeder Art von Routine ist, dass Sportler durch feste Abläufe Sicherheit bekommen und mit eventuell auftretender Nervosität oder Ängsten besser umgehen können. Es soll eingeübt werden durch dieselben Abläufe möglichst auf „Knopfdruck“ Leistung abrufbar zu machen. Die nötige Struktur kann anhand eines Modells gut verdeutlicht werden:

Der Vorteil einer langfristigen Vorbereitung ist, dass es viel einfacher wird sich unmittelbar vor dem Start zu konzentrieren. Aber Vorsicht: In der Wettkampfvorbereitung geht es nicht darum zwanghaft einen minutiösen Plan einzuhalten, sondern genau zu wissen, wie mit Ressourcen umgegangen wird, also wann Pausen und wann Konzentration angesagt sind.

1. “ Vor-Vorbereitung“

In der „Vor-Vorbereitung“ geht es darum, dem Sportler einen klaren Überblick über die zu erwartenden Renngeschehnisse zu geben. Je mehr Details bekannt sind, desto besser kann er sich darauf einstellen und vorbereiten.

Der Trainer sollte also sicherstellen, das dem Athleten ein Leitfaden mit auf den Weg gegeben wird bzw. eine optimale Vorbereitung auf die kommenden Gegebenheiten gewährleistet ist. Mögliche Fragestellungen können sein:

a) Einstimmung auf das Rennen:

  • Wo fahre ich hin?
  • Was erwartet mich da?
  • Wie geht es mir?
  • Warum mache ich das?
  • Was erwarte ich vom Rennen?

b) Vorbereiten:

  • Packen: sorgfältige Materialvorbereitung
  • Stressreduktion in den Tagen vor dem Rennen: Freiräume schaffen
  • Anreise ohne Stress und Hektik: rechtzeitig ankommen, Örtlichkeiten auschecken
  • Eigene Einstellung checken: Reise ich an, weil ich das Ding "rocken" will oder weil es auf dem Rennplan steht?
  • Spaß haben, sich entspannen: Akkus aufladen, sich seiner Fähigkeiten und Ziele bewusst werden

2. Renntag

Am Renntag selbst beobachtet der Trainer seine Athleten und gibt Hilfestellungen, wo immer er gebraucht wird. Ziel für die Sportler ist es an diesem Tag genau das, was sie während des Trainings geübt haben, umzusetzen. Wichtig ist, dass der Sportler während des Rennens eine aktive Haltung einnimmt und eine erkennbare strukturierte „Linie“ in seinem Renntag erkennbar wird, d. h. er sollte sich vorher Gedanken machen und dem Tag eine Struktur geben. Das Trainerverhalten zielt darauf ab, dem Sportler Ruhe und Zuversicht zu vermitteln. Wichtig ist vor allem positives Feedback. Auch das Betonen der Stärken des Athleten kann ein guter Weg sein ein gutes Gefühl zu vermitteln. Kritik oder gar Trainings-Maßnahmen sind aber ein absolutes „No-Go“! Hilfreiche Leitlinien für den Renntag können sein:

  • Einen Plan haben, was wann ist: Wettkampftag strukturieren
  • Den Tag durchgehen: Was kommt auf mich zu? Weiß ich, was ich wann machen will? Was kann zwischen mich und meinen Plan kommen?
  • Den Tag positiv starten: Beim Wachwerden an die Ziele denken, dabei in sich reinhorchen. Ruhe, Kraft und Motivation suchen. Motto?
  • Hektik vermeiden: Pufferzeiten einplanen. Essen? Material? WC-Gang?
  • Ablenkung minimieren: Am besten ist es, die gewohnte „Herde“ zu nutzen und damit Struktur und Vorhersehbarkeit zu gewährleisten (Eltern, Partner, Freunde)

3. Am Start 

a) Einfahren. Mentales Ziel des Einfahrens: ein gutes Bewegungsgefühl finden

  • Dabei Erinnerungen nutzen: kraftvolle & präzise Schwünge vorstellen, Position & Technik positiv visualisieren, positives Bewegungsgefühl
  • Selbstinstruktion zu ein bis zwei wichtigen Punkten, aber: Einfahren ist kein Training am Renntag. Konzentration auf das, was Sportler können

 b) Besichtigung. Mentales Ziel der Besichtigung: Sportler sollen den Lauf gut kennen und sich vorstellen können den Lauf super zu fahren

  • Konzentration auf die wichtigen Informationen aus dem Lauf
  • Erst beobachten, dann bewerten

c) Abschalten können. Mentales Ziel des Abschaltens: Ruhe reinbringen, Konzentration „sparen“

  • 100% Konzentration nicht den ganzen Tag über, sondern nur zu den Läufen
  • Bewusst an- & abschalten: z. B. über Musik, Atemübungen, Ruhebilder, Kraftbilder, Mobilisationsübungen

4. Im Tunnel

Im Tunnel geht es darum, eine individuell funktionale Routine umzusetzen, die den Sportler auf den Punkt startklar macht. Häufig ist es dabei hilfreich, sich auf seine Stärken zu konzentrieren, sich einen positiven Ausgang des Rennens vorzustellen oder sich an sein Motto zu erinnern. Bei der Vorstartroutine geht es nicht um einen „mechanischen“ Ablauf einzelner Aktionen, sondern darum, auf mentaler Ebene die optimalen Voraussetzungen für das „Go!“ zu erarbeiten. Das folgende Video soll die Phasen der Wettkampfvorbereitung am Renntag noch einmal verdeutlichen.

Im Video sieht man, dass die Wettkampfvorbereitung von Sportler zu Sportler sehr unterschiedlich gestaltet sein kann: Ein Jeder braucht am Start etwas anderes. 

Im Folgenden werden ausgewählte Übungen beschrieben, die als Bausteine für eine individuelle Vorbereitung, z. B. in Form einer funktionellen mentalen Vorstartroutine, benutzt werden können.