Selbstvertrauen & Angst

Herausforderungen selbstbewusst anzunehmen und auf die eigenen Stärken zu vertrauen ist für den Leistungssport eine entscheidende Fähigkeit. Dabei ist Selbstbewusstsein nicht etwas, was man entweder hat oder nicht. Die psychologische Forschung hat gezeigt, dass Selbstbewusstsein genau wie Vorstellungs- oder Konzentrationstraining mit Übungen und dem richtigen Trainerverhalten unterstützt werden kann. Auf der anderen Seite sollte mit Angst bei Sportlern richtig umgegangen werden, um ihnen einen konstruktiven Umgang damit zu ermöglichen.

Warum manche Menschen neue Aufgaben positiv und voller Selbstvertrauen anpacken und andere nicht, liegt unter anderem daran, dass die Ursachen für Erfolg oder Misserfolg anders wahrgenommen werden. Diese Ursachen-Zuschreibung (Attribution), also die Suche danach, was für den Erfolg oder Misserfolg einer Aufgabe verantwortlich war, unterliegt häufig einer kleinen Verzerrung. Die Ursachenzuschreibungen sind von Person zu Person individuell verschieden, beinflussen aber in jedem Fall das Selbstvertrauen. Man unterscheidet zwei Arten der Ursachenzuschreibung:
 

1. Selbstwert-dienlicher Attributionsstil

Ein Sportler mit einem selbstwertdienlichen Attributionsstil schreibt sich die Ursache von Erfolg selbst zu, während ein Misserfolg auf „mangelnde Anstrengung oder externale Faktoren wie Pech oder zu hohe Aufgabenschwierigkeit zurückgeführt wird."

Beispiel: Eine gute Leistung im Abfahrtslauf wird auf gute Technik zurückgeführt oder darauf, dass der Sportler gut mit den Gegebenheiten klar gekommen ist. Für ein schlechtes Rennen würde er vielleicht ungeeignetes Material verantwortlich machen.
 

2. Selbstwert-destabilisierender Attributionsstil

Genau andersherum ist das bei einer selbstwert-destabilisierenden Ursachenzuschreibung. Hier werden Misserfolge auf Faktoren zurückgeführt, die in der Person liegen und als unveränderbar angesehen werden.

Beispiel: Der betreffende Sportler denkt bei einem Fehlschlag, dass er einfach nicht ausreichend begabt sei, während Erfolge auf Ursachen zurückgeführt werden, die mit der Person nichts zu tun haben, wie z. B. Glück oder geringe Aufgabenschwierigkeit.

 

Die Ursachen von Erfolg auf sich selbst zurückzuführen, wirkt sich langfristig stärkend auf den Selbstwert aus, da Misserfolge zwar nicht als schön erlebt werden, aber auch nicht gleich Selbstwertzweifel auslösen. Andererseits wird bei dieser Form der Zuschreibung jedoch das Lernen durch Fehler erschwert.

Auch in der Wahl der Aufgabenschwierigkeit findet sich das jeweilige Muster wieder. Personen mit selbstwertdienlichem Stil wählen Aufgaben, die herausfordernd, aber machbar sind - an denen sie also wachsen können.

Demgegenüber suchen sich Sportler mit ungünstigem Attributionsstil häufig Aufgaben heraus, die sie entweder unter- oder überfordern, was das Lernen durch Verstärkung erschwert, weil eigene Fortschritte nicht als solche erlebt werden können.

Als Trainer kann man den jeweiligen Attributionsstil erahnen, wenn man beobachtet, wie der Sportler mit Erfolg oder Niederlage umgeht und welche Aufgabenschwierigkeit er wählt, wenn er diese beeinflussen kann. In der folgenden Tabelle sind Beispiele für mögliche Situationen exemplarisch dargestellt.

Hat der Trainer eine Idee, um welchen Attributionsstil es sich bei dem Sportler handeln könnte, so kann er im Training gezielt darauf eingehen, indem er z. B. einen Sportler mit selbstwertdestabilisierendem Attributionsstil unterstützt mittelschwere Aufgaben auszusuchen. Gleichzeitig kann er Äußerungen des Sportlers korrigieren und ihn anleiten, aus wenig hilfreichen Gedanken oder Annahmen (wie z. B. „nicht für diesen Sport gemacht zu sein“), günstigere, motivierende Sätze zu formulieren. Genau das Gleiche gilt für Äußerungen, in denen der Sportler den eigenen Erfolg nicht sich selbst zuschreibt (Alternative zu „Das war Glück“: „Ich habe das Gelernte gut umgesetzt und kam gut mit den Gegebenheiten klar.“).

Es geht also darum, den Sportler bei der Formulierung von selbstwertdienlichen Selbstinstruktionen zu unterstützen, eine übertriebene Fehlersuche nach Misserfolgen zu stoppen, Erfolge mit der persönlichen Leistung in Verbindung zu bringen und positive Gefühle nach einem Erfolg zu fördern.

Sportler mit selbstwertdestabilisierendem Attributionsstil sollte man als Trainer vor allem dazu anleiten, dass man aus Fehlern lernen kann und sie keine Katastrophe darstellen, wie in den Trainertipps zum Umgang mit misserfolgs-ängstlichen Sportlern (vgl. Abb. 11 SP) dargestellt wurde.


Selbstwirksamkeit

Wenn man das Selbstvertrauen in Bezug auf eine ganz konkrete (sportliche) Aufgabe beschreiben möchte, verwendet man besser den Begriff der Selbstwirksamkeit (Bandura, 1997; Beckmann & Elbe, 2011; Feltz, 1984). Sie beschreibt den Glauben in die eigenen Fähigkeiten sowie daran, eine bestimmte Aufgabe meistern zu können und ist somit von Aufgabe zu Aufgabe und Situation zu Situation verschieden.

Ob sich jemand voller Zuversicht in seine erste Tiefschneefahrt begibt (also eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung bezogen auf die Aufgabe hat), ergibt sich aus den Erfahrungen und Überzeugungen, die er bereits sammeln konnte. Sie stellen die Quellen der Selbstwirksamkeit dar und geben uns Anhaltspunkte für praktische Tipps zur Förderung der Selbstwirksamkeitserwartung:

1) Verbale Überzeugung: Hiermit sind gut gemeinte, auffordernde Sätze des Trainers gemeint, die dem Sportler Mut machen. Der Sportler kann auch lernen, sich selbst „gut zuzureden“ bzw. sich selbst positive Selbstinstruktionen zu geben.

Trainertipp: Achte als erstes darauf, dass Du selbst „Mutmachersätze“ verwendest! Formuliere sie positiv! Also statt: „Nicht hinten auf den Skiern sitzen“ „Bring dein Gewicht nach vorne, spüre deine Schienbeine am Schuh!“. Das gibt eine konkrete Handlungsanweisung und das Gehirn ist nicht damit beschäftigt, was es vermeiden soll.

Wichtig: Mutmachersätze und Selbstinstruktionen immer positiv formulieren!

2) Persönliche Erfahrungen: Das wiederholte Erleben von Erfolgen fördert am besten das Selbstwirksamkeitserleben im Sport.

Trainertipp: Achte darauf, dass Du als Trainer Erfolgserlebnisse ermöglichst (adäquate Aufgabenstellung und Anwendung externer Hilfsmittel nur wenn es unbedingt nötig ist). Optimiere die Lernbedingungen und halte Dich an die Feedbackregeln (s. o.)!

Trainertipp 2: Als Ergänzung zu zuvor genannten Mutmachersätzen sollte auch darauf geachtet werden positive Bewegungsausführungen deutlich hervorzuheben und zu loben statt sich auf die Fehler zu konzentrieren. Einem Sportler, der Selbstvertrauen benötigt, sollte daher auch mal eine komplett kritikfreie Trainingseinheit zugesprochen werden!

3) Stellvertretende Erfahrungen: Das Betrachten eines anderen während der Bewegungsausführung steigert die eigene Selbstwirksamkeitserwartung dieselbe Bewegung ausführen zu können. Dies ist vor allem der Fall, je ähnlicher sich beide Personen in aufgabenrelevanten Eigenschaften sind (Größe, Alter, Gewicht, ...). Auch die Imagination der eigenen Bewegung kann eine Quelle von mehr Selbstwirksamkeitserleben sein.

Trainertipp: Fördere das Lernen durch Beobachtung und sei selbst ein gutes Modell. Hierzu eignet sich am besten Partnerarbeit, wobei die Paare nach Ähnlichkeit zusammengestellt werden sollten. Leite außerdem die Sportler dazu an, sich einzelne Bewegungsabläufe so real wie möglich vorzustellen (vgl. Kapitel Mentales Training).

4) Emotional Arousal: In welcher Gefühlslage wir uns befinden und vor allem, wie wir dieses Gefühl (z. B. Angst) und die damit verbundenen körperlichen Zustände (z. B. Herzklopfen, Zittern) bewerten, kann sich stark auf unser Selbstvertrauen niederschlagen.

Trainertipp: Sensibilisiere die Sportler für die Suche nach ihrem „optimalen Startzustand“ (zum Beispiel durch den Vergleich zwischen guten und schlechten Durchgängen) (vgl. Praxisübung 4: Start-Thermometer).
 

Umgang mit Angst

Was passiert jedoch, wenn jemand keine Selbstwirksamkeitserwartung aufbaut und sich z. B. steile Abfahrten oder Wettkämpfe nicht zutraut? Angst macht sich breit und das bereits Gelernte ist deutlich schlechter abrufbar. Der Sportler wird schließlich die Aufgabe nicht so gut meistern können, wie er es allein aufgrund seiner technischen Fertigkeiten tun könnte. Wenn wir uns hierzu den „Teufelskreis der Angst“ von Margraf und Schneider (1990) ansehen, wird deutlich, wie sehr Gefühle, Gedanken und Verhalten zusammenhängen, sich aufschaukeln können und wo man eingreifen kann, um aus der „Ich-kann-nicht-Falle“ auszusteigen.

Nimmt ein Sportler beispielsweise schlechte Bedingungen an seinem Wettkampftag wahr (z. B. eine stark vereiste Piste), ist das erst mal nur eine Wahrnehmung. Diese kann er nun als „Bedrohung“ bewerten („Damit habe ich schlechte Erfahrungen gemacht!“) oder als unbedrohlich („Damit kann ich umgehen!“). Bei ersterer Bewertung wird er körperlich und emotional entsprechend mit Angst und möglicherweise mit zittrigen Knien, Herzklopfen und großer Anspannung reagieren, am liebsten flüchten wollen oder die Piste „einfach runter rutschen“ (Verhalten). Nicht selten werden diese Reaktionen anschließend zum Auslöser einer neuen „Verhaltenskette“ (siehe Abbildung) und der Teufelskreis ist komplett.

Dass selbst gut gelernte Bewegungsabläufe unter Gefühlen von Angst und Unsicherheit unrund und fahrig werden, scheint folglich nicht verwunderlich. Was aber ist zu tun, um den Teufelskreis zu durchbrechen? Am einfachsten ist es, an der Bewertung anzusetzen und sich zwei Fragen zu stellen:

  • Ist meine Befürchtung wahr/ist die Bewertung realistisch?
  • Ist meine Bewertung hilfreich?

Wird nur eine Frage mit „nein“ beantwortet, so lohnt es sich, die Bewertung umzuformulieren und sich eine hilfreichere Instruktion zu geben bzw. den Sportler dazu anzuleiten.

Man kann sich z. B. an eine gelernte Technik erinnern, die für vereiste Pisten sinnvoll ist, sich diese vor Augen führen und Mut zusprechen.

So wird ein Sportler, der sich sagt, dass er das schaffen kann und sich jetzt darauf konzentriert die Kanten einzusetzen und das Gewicht vorne zu behalten, mit einem besseren Gefühl starten, als jemand, der sich die ganze Zeit sagt „das kann ich nicht, dafür bin ich nicht gemacht!“.

Wer mit Sportlern in Kontakt kommt, die schnell in die „Ich-Kann-Nicht–Falle“ tappen, sollte ihnen hilfreiche Selbstinstruktionen (Mutmachersätze) mit auf den Weg geben. So werden ihre Befürchtungen widerlegt und im Idealfall korrigierende Erfahrungen ermöglicht, die sie weiterbringen.